Und doch eint sie vieles: Beides sind kleine Samen mit nussigem Geschmack, vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten und vor allem einem ähnlichen Spektrum wertvoller Inhaltsstoffe.
Die ältesten Leinfunde stammen aus dem Vorderen Orient und werden auf circa 6000 bis 8000 vor Christus datiert. Die Archäologen entdeckten sowohl die Samen in ihrer Wildform als auch textiles Gewebe. Schliesslich verpackten schon die alten Ägypter ihre Mumien in Leinenstoff. Überhaupt stand Faserlein – Flachs genannt – lange Zeit im Mittelpunkt des Anbaus. Die ölhaltigen Samen waren zu Beginn vermutlich nur ein Nebenprodukt. Dies weil die reifen Kapseln aufsprangen, sich verteilten und die Ernte sehr beschwerlich war. Heutiger Lein ist Schliesslein – das Ergebnis von Auslese –, seine Kapseln bleiben geschlossen. Was sich ausserdem noch entscheidend änderte: Der Flachs hat seit dem ausgehenden Jahrhundert an Bedeutung verloren. Baumwolle und Co. haben ihm den Rang als Textilfaser Nummer eins abgelaufen. Sieht man heute Lein auf den Feldern, so ist es vor allem der Öllein, ein einjähriges Kraut von 60 bis 100 Zentimeter Höhe. Es ist hübsch anzusehen mit seinem rispenartigen Blütenstand, an dem über Wochen immer wieder hellblau-violette Blüten leuchten. Aus ihnen entwickeln sich kugelrunde Gebilde, die sechs bis sieben kleine Samen umschliessen – je nach Sorte in brauner oder goldgelber Farbe. Diese Samen enthalten etwa 30 bis 40 Prozent Öl, ein beachtlicher Teil davon in Form mehrfach ungesättigter Omega-3-Fettsäuren. Ebenso herausragend ist der hohe Ballaststoffgehalt von circa 30 Gramm je 100 Gramm Leinsamen. Diese sind schleimbildend und quellfähig – daher immer die Empfehlung, Leinsamen mit reichlich Flüssigkeit zu verzehren. All diese wertvollen Inhaltsstoffe verbergen sich unter der harten Schale des Samens, daher ist gründliches Kauen unerlässlich. Oft sogar noch besser: Leinsamen vor dem Verzehr quetschen, schroten oder mahlen. So passt er ins Müsli, in Brot und Brötchen, zu Kartoffeln, Quark und vielem mehr.
Die Chiapflanze ist ein Salbeigewächs, deren Ursprung man in Mexiko und Guatemala vermutet. Dort und mittlerweile auch in anderen südamerikanischen Ländern wie Peru, Bolivien oder Argentinien, wächst die Pflanze bis zu zwei Meter hoch. Dafür benötigt sie viel Sonne, Wärme und ausreichend Feuchtigkeit – ein erwerbsmässiger Anbau in unseren Breitengraden wäre nicht wirtschaftlich. Für bescheidene und nicht auf Ertrag angewiesene Hobbygärtner ist die Chiapflanze aber durchaus spannend. Man kann Chiasamen auch im eigenen Garten anpflanzen. Es braucht eine zeitige Voranzucht auf einer wohltemperierten Fensterbank und etwas Glück in Form eines langen, feuchtwarmen Sommers ohne grosse Wetterkapriolen. Die Bienen würden es danken, denn die violette Blüte ist bei ihnen sehr beliebt. Doch die weltweite Bedeutung der Chiapflanze liegt nicht im Zierwert oder der Insektennahrung. Ihre – je nach Sorte – weissen, grauen oder braunen Samen sind es, die sie hierzulande so populär machen. Interessanterweise gibt es viele Parallelen zum Leinsamen. So sind auch Chiasamen sehr ölhaltig und haben einen hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren. Ebenso sind sie eine bemerkenswerte Ballaststoffquelle mit hohem Quellvermögen. Verrührt man Chiasamen mit Wasser, einem Getreidedrink oder anderer Flüssigkeit, ergeben sie ein Gel – perfekt für Smoothies oder Backwaren beispielsweise. Gemäss Novel-Food-Verordnung (novel food = neuartiges Lebensmittel) sollte die tägliche Aufnahme 15 Gramm nicht überschreiten. Diese 15 Gramm sind auch völlig ausreichend, um den Speiseplan mit wertvollen Fettsäuren und Ballaststoffen anzureichern. Das gilt genauso für den heimischen Leinsamen.